eigene Positionen

Diskussion an der Hamburg Media School im Jahr 2017. (Foto: Hamburg Media School/Tim Hoppe)

Durch mein Journalistik-Studium, in der Ausbildung bei einem öffentlich-rechtlichen Sender sowie in der praktischen Arbeit für diverse Medien habe ich mich intensiv mit journalistischen Werte und berufsethische Standards auseinandergesetzt, denen ich mich verpflichtet fühle. Dazu zählen für mich insbesondere Wahrhaftigkeit, Faktizität, Fairness und Transparenz. Dennoch habe ich in meiner jahrelangen Arbeit selbstverständlich eine Haltung zu Themen entwickelt, über die ich regelmäßig berichte. Diese möchte ich in aller Knappheit wiedergeben.

Journalismus: Die Funktion des Journalismus besteht für mich in der Herstellung von Öffentlichkeit für andere gesellschaftliche Systeme. Der Journalismus ist damit zwar integraler Teil der Gesellschaft, hat historisch jedoch eigene Qualitäten entwickelt, um Leistungen für andere gesellschaftliche Systeme erbringen zu können. Journalist:innen bilden insofern keine unabhängig gegebene Realität ab (niemand kann das), sondern konstruieren eine Realität (jede:r macht das). Qualitätskriterien und Recherche-Standards stellen unverzichtbare Routinen dar, um journalistische Arbeit anschlussfähig für gesellschaftliche Diskurse zu machen. Journalistische Arbeit sollte daher immer „handwerklich“ kritisiert sein, aber eben nicht nur, weil Menschen eine andere Meinung haben oder die Recherche-Ergebnisse nicht in ihr (ebenfalls selbst konstruiertes) Weltbild passen mögen. Wegen Einhaltung journalistischer Standards ist journalistische Arbeit schließlich gerade nicht relativistisch oder gar solipsistisch im Sinne eines „anything goes“. Kernaufgabe des Journalismus ist aber nicht nur die Veröffentlichung darüber, was zu berichten ist, sondern auch, wie dieses Was zustande gekommen ist. „Journalistische Qualität“ kann nie am Inhalt, sondern stets nur unter Beobachtung seiner „Konstruktionsprozesse“ gemessen werden.

Objektivität: Objektivität im Sinne einer unabhängig gegebenen, unmittelbar erfahrbaren sozialen Realität kann es meiner Auffassung von Gesellschaft nach nicht geben. Stattdessen sollten Journalisten um Wahrhaftigkeit bemüht sein, also dem permanenten Suchen nach der „Wahrheit“, indem sie mittels eigener Standards ständig zwischen „wahr“ und „unwahr“ selektieren – und diesen Prozess transparent machen.

Überwachung: Ich lehne Überwachung nicht prinzipiell ab. Ich halte sie jedoch für eine schwerwiegende Störung sozialer Kommunikationsprozesse, die für die gesellschaftliche Entwicklung unverzichtbar sind und deren Schutz nicht zufällig seit Beginn der Moderne auch vom Rechtssystem grund- und menschenrechtlich geschützt wird. Überwachung halte ich in der staatlichen Praxis daher nur für gerechtfertigt, wenn sie im Einzelfall der Erfüllung eines Anliegens von überragenden öffentlichen Interesse dient. Eine anlasslose, verdachtsunabhängige Massenüberwachung der Bevölkerung ist damit unvereinbar. Es führt meiner Erfahrung dazu, Vertrauen untereinander zu zerstören und den politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu ersticken. In meinen Workshops zu digitaler Sicherheit auf der ganzen Welt habe ich dies „hautnah“ diversen persönlichen Gesprächen erlebt. Dass sich nach den Snowden-Enthüllungen ein Gefühl permanenter Überwachung in weiteren Teilen der Gesellschaft etabliert hat, gefährdet aus meiner Sicht langfristig unsere Demokratie und bereitet mir Sorgen.

Informationsfreiheit: Eine Gesellschaft und damit die Demokratie braucht Geheimnisse. Gerade deshalb ist es jedoch wichtig, dass sich ein demokratischer Rechtsstaat permanent um Transparenz bemüht und damit Vertrauen in das Handeln seiner Vertreter schafft. In der staatlichen Kommunikation muss das Geheimnis die Ausnahme, Transparenz die Regel sein. In der Praxis sollte daher die datenschutzkonforme Veröffentlichung sämtlicher behördlicher Dokumente zur Regel werden, von der nur im Einzelfall aufgrund berechtigter Geheimhaltungsinteressen abgewichen werden darf. Die teilweise jahrzehntelange Einstufung von behördlichen Dokumenten als „streng geheim“ halte ich  für unvereinbar mit einem demokratischen System, in dem Öffentlichkeit und Parlamente die politischen Entscheidungsträger kontrollieren müssen.

Whistleblowing: Es kann Einzelfälle geben, in denen innerbehördliche oder innerbetriebliche Zustände verhindern, dass Missstände gemeldet werden und es im gesellschaftlichen Interesse liegt, dass Menschen diese Missstände publik machen. In der Praxis sollte dieses Handeln nicht kriminalisiert, sondern gesellschaftlich gefördert und gesetzlich abgesichert werden.